Abstrakt: | Das Buch ist einem geokulturellen Phänomen gewidmet, das „Filmschlesien“ genannt wird.
Die Verfasserin analysiert und interpretiert Filme, deren gemeinsames Motiv ist die auf dem
Bildschirm widerspiegelte Landschaft von einer Region im Laufe des dort stattfindenden
Wandels: vom industriellen zum postindustriellen. Die Filmwerke werden hier betrachtet
als „geografisch‑kulturelle
Ereignisse“ d.h. die Formen der hier lokalisierten Werke (Bilder/
Texte und künstlerische Tätigkeit), welche eine Repräsentanz/Konstruktion von dem Ort
darstellen. Die Hauptthesen des Buchs lauten: einerseits überschneiden sich die auf dem
Bildschirm sichtbar werdenden verschiedenen Sinne und Diskurse einer gewissen Kultur,
die sich analysieren lassen, andererseits ist der Film an Kulturprozessen und an mediatisierter
Produktion von Kultur und Identität mitbeteiligt. In weiteren Kapiteln werden diese
Thesen hinsichtlich der Wechselbeziehungen zwischen Schlesien, Film, Landschaft, Identität
und individuellem u. kollektivem (nationalem, lokalem) Gedächtnis entwickelt.
Das Schlüsselwort der Arbeit ist die Landschaft – ein Begriff, der die Motive der
Wechselbeziehung Film/Ort nach der Koinzidenz dessen, was geografisch und künstlerisch,
real und mediatisiert, ästhetisch und kulturell, anschaulich und empirisch etc. ist,
verbindet. Die Filmlandschaft stellt hier das Bild von dem Land (Ort), den den Behörden
zugänglichen Gegenstand einer bestimmten Betrachtungsweise, aber zugleich den Anlass
zu anthropologischen Betrachtungen dar, die auf bestimmte Formen der Teilnahme
an der Filmkunst, deren Miterlebens und Erörterung gerichtet sind. In dem Sinne wird sie
ein bisschen anders im lokalen Ausmaß (von einem in dem realen, auf dem Bildschirm
mediatisierten Raum „versunkenen“ Zuschauer) und anders im nationalen oder globalen
Ausmaß (von einem empathisch für die ihm nur durch bewegte Bilder bekannte Problematik
engagierten Zuschauer) wahrgenommen.
„Filmschlesien“ hat seinen Ursprung in lokaler Tradition und in gewisser Verkettung
von lokalen und historischen Umständen. Zu den letztgenannten gehört bedeutsame
Tatsache, dass Schlesien in seiner Geschichte unter starkem ideologischem Druck stand
und die schlesische Landschaft zum Nährböden von verschiedenen symbolischen
Vorstellungen wurde (z.B.: exotisch‑industrielles,
wiedergewonnenes, proletarisches,
zukunftsweisendes und letztendlich ausgenutztes Schlesien).
Die in der Öffentlichkeit geltenden Klischees verstärkten die von der Basis ausgehenden
Wünsche danach, den emotional aufgefassten Lebensraum zu verewigen, was vor
allem in den Werken der in zahlreichen seit den 60er Jahren des 20.Jhs bei schlesischen
Fabriken und Bergwerken aktiven Amateurfilmklubs organisierten Filmschaffenden
zum Ausdruck kommt. Das im vorliegenden Buch erscheinende „Filmschlesien“ ist ein
Sonderfall, denn die Tradition einen Film zu machen/zu empfangen und über Filmkunst
zu schreiben verbindet lokales Kino mit einheimischer Kulturpraxis, die die Wirklichkeitsbetrachtung
mittels Filmkunst (spezifische Betrachtungskultur) zum Ausdruck bringt. Die
hier analysierten Filmwerke zeugen sowohl vom ästhetischen Potenzial der geografischen
Landschaft, als auch von der Wirkungskraft der an Ort und Stelle schichtweise gebildeten
Kultur. |