Abstract: | Die vorliegende Arbeit ist Exklamativsätzen gewidmet, das heißt Äußerungen, die
eine charakteristische kommunikative/pragmatische Funktion erfüllen, aber über
keine spezifische Form verfügen. Gemeint sind Sätze wie die folgenden:
a. Meine Güte, bist du dünn geworden!
b. Die ist aber alt!
c. Was wird da für ein Unsinn erzählt!
d. Junge, wie die Zeit vergeht!
e. Wen die nicht kennt!
f. Dass sie so stur ist!
Die funktionale Spezialisierung solcher Sätze ist auf den Ausdruck eines Sachverhaltes
zurückzuführen, der von den Erwartungen oder Idealen des Sprechers abweicht. Ihr
Formenreichtum ist aber wohl der Grund dafür, dass sie wie übliche Deklarativ- und
Interrogativsätze behandelt werden und sich nicht als autonome grammatische
Kategorie durchsetzen können.
Unter den Forschungen, die Exklamationen gewidmet sind, nehmen die synchronkonfrontierenden
Untersuchungen nur äußerst wenig Raum ein. Der in dieser Arbeit
vorgenommene Vergleich entspringt der Feststellung, dass deutsche Exklamativa in
DaF-Lehrwerken behandelt werden, ohne mit hinreichenden Erklärungen
didaktischer Art versehen worden zu sein (siehe z.B. Dein Deutsch). Sie werden zwar,
hauptsächlich in Dialogen/Dialogmustern, eingeführt, aber ohne jeglichen
Kommentar bezüglich ihrer Struktur und charakteristischen Funktion in der
fremdsprachlichen Kommunikation. Das führt dazu, dass Exklamativa von Deutsch
lernenden Polen kaum verwendet (produktive Fähigkeit) und nicht selten falsch
interpretiert werden (rezeptive Fähigkeit).
Als Beweis dafür mag der folgende Befund gelten: 40 Germanistikstudenten des
ersten und zweiten Studienjahres eines Fremdsprachenkollegs wurden gebeten,
deutsche Exklamativa ins Polnische zu übertragen, um zu prüfen, ob sie sich dieser
Aufgabe gewachsen zeigen. Es hat sich herausgestellt, dass über die Hälfte der
Befragten ernste Probleme mit der richtigen Einschätzung der illokutionären Kraft der
deutschen Exklamationen (vor allem der Verb-Erst-Konstruktionen, der Sätze mit der
vielleicht-Partikel und der Konstruktionen mit was in der wie-Funktion) hatte. Die
meisten Studenten fanden es eigentümlich, dass die mit einem Ausrufezeichen
notierten Sätze eine Fragestruktur haben, was davon zeugt, dass sie solchen Sätzen
im FSU nicht begegnet sind. Exklamativa sind ihnen im FSU nicht vermittelt worden.
Hingegen haben Studenten, die sich in einem deutschsprachigen Land länger
aufgehalten haben, die gestellte Aufgabe mühelos bewältigt.
Es überrascht, dass Exklamativsätze keine didaktische Explikation verdienen sollen, da
sie ein relevantes kommunikatives Bedürfnis befriedigen, nämlich dasjenige,
Sprechereinstellungen und –emotionen zum Ausdruck zu bringen. Mit Hilfe der
Exklamativsätze lassen sich emotionale Inhalte und Bewertungen vermitteln. Zwar
wird in der (vorwiegend englisch- und deutschsprachigen) Fachliteratur die Debatte
geführt, welcher Status Exklamativsätzen zukomme, doch es gibt, soweit uns bekannt
ist, weder eine konfrontativ ausgerichtete Abhandlung noch eine, die dem Problem
der Didaktisierung der Exklamativa im FSU gewidmet wäre.
Die vorliegende Arbeit ist als ein Versuch anzusehen, einen Beitrag zur konfrontativen
Forschung im Bereich der Exklamativsätze zu leisten, sowie einen Anlass zur
Einbeziehung exklamativer Strukturen in den FSU zu geben. Unsere Arbeit setzt sich
eine konfrontative Analyse der deutschen Exklamativsätze zum Ziel, um auf dieser
Grundlage gewisse Regularitäten in ihrem Bau sowie in der Wiedergabe dieser Sätze
im Polnischen aufzufinden. Ferner wird versucht, einige Schlüsse hinsichtlich der
Frequenz bestimmter exklamativer Strukturen im Deutschen und Polnischen zu
ziehen. Bei dieser Arbeit handelt es sich um den ersten umfangreichen
Analysevorschlag, wobei wir die Hoffnung haben, dass Feinheiten und Details im
Laufe weiterer Forschungen ausgearbeitet werden können. Gegenstand unserer
Analyse bildet ein Korpus deutscher und polnischer Exklamativa, dessen Quelle
Radio- und Fernsehsendungen, Presse- und Internetbeiträge, sowie die einschlägige
Literatur bilden.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel möchte einige
theoretische Vorüberlegungen zum Problem der Expressivität der Sprache anstellen.
Die Rekapitulation des Forschungsstandes soll die wichtigsten Erkenntnisse auf
diesem Gebiet darstellen sowie die Vielschichtigkeit dieses Problems
vergegenwärtigen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der linguistischen Kategorie des Satzmodus. Es
werden die wesentlichen Standpunkte zum Modus von exklamativen Äußerungen
und zum kategorialen Status der Exklamativsätze dargestellt.
In Kapitel drei wird eine detaillierte Charakteristik der Exklamativsätze gegeben, die
als Grundlage der vorgenommenen Analyse fungiert. Zuerst wird das Augenmerk auf
die funktionale Spezifizierung der Exklamativa gelenkt, dann werden ihre formal
geprägten Besonderheiten erläutert. Im Rahmen dieses Kapitels wird auch das
Problem der Negationsmöglichkeiten im Falle der deutschen und polnischen
Exklamativsätze diskutiert.
In Kapitel vier liegt der Schwerpunkt auf der konfrontativen Analyse der deutschen
Exklamativsätze und ihrer Äquivalente im Polnischen. Die konfrontative Analyse hat
unilateralen Charakter; das Deutsche ist die Ausgangs-, das Polnische die Zielsprache.
Es wird überprüft, inwieweit sich deutsche und polnische Exklamativa, die gleiche
Funktion besitzen, in ihrer Struktur ähneln und wo wesentliche Unterschiede
bezüglich formaler Indikatoren der Exklamativität in den beiden Sprachen bestehen.
Anschließend wird eine quantitative Analyse der deutschen und polnischen
Exklamativsätze im Korpus vorgenommen. Der Übersichtlichkeit halber werden die
Exklamativa nach funktional-formalen Kriterien eingeteilt und in tabellarischer Form
dargestellt. Mit Hilfe von Kreis- und Säulendiagrammen wird veranschaulicht, in
welcher Quantität die einzelnen Subgruppen innerhalb der deutschen und polnischen
Exklamationen auftreten. |