Abstrakt: | Der Gedanke der Stellvertretung ist im soteriologischen Bereich mit der Satisfaktionslehre
Anselms von Canterbury stark verbunden. Da der Begriff der Stellvertretung im allgemeinen
und im Bezug auf die Lehre Anselms im speziellen viel diskutiert wird, wurde im
vorliegenden Beitrag die Gelegenheit aufgegriffen, zunächst die Positionen in der deutschsprachigen
Diskussion der letzten Jahre um das Verständnis der Stellvertretung auf dem
Hintergrund des Anselmschen Konzeptes zu erörtern. Es wird bemerkt, dass die hauptsächlichen Unterschiede in der Interpretation dieses Themas davon abhängen, inwiefern die
Autoren die personalen oder die sachhaften Kategorien in Anselms Satisfaktionslehre hervorheben.
Dabei ist die Grundtendenz bemerkenswert, diese Lehre aus der zeitbedingten
Hülle der Vorstellungen herauszuholen und in die heute wichtigen Kategorien des personalen
Freiheitsvollzugs einzufügen.
Im zweiten Teil wird auf eine Konsequenz der Lehre Anselms, bzw. ihrer Interpretationen,
hingewiesen: Die „augustinische“ Trennung der subjektiven von der objektiven
Erlösung wurde nämlich durch dieses Konzept gestärkt. Viele heutige Interpreten versuchen
sie aufzuheben oder zu mildern, indem sie die Erlösungslehre Anselms auf der personalen
Ebene deuten. Die entschiedenen Kritiker Anselms lehnen dagegen seine Lehre
als eine verdinglichte Vorstellung ab, um auf diese Weise den personalen Charakter der
Erlösung hervorzuheben und dabei auch die starke Trennung zwischen der objektiven und
subjektiven Erlösung zu relativieren. Selbst wenn sich also am Verstehen Anselms die
Geister scheiden, bleibt seine Lehre für viele ein Bezugspunkt für die Betonung, dass die
Erlösung und darin insbesondere die Stellvertretung Christi als ein personales Geschehen
zu deuten ist. |